Agrargenossenschaft aus MV gewinnt Umweltpreis

Deutscher Sieger im WWF-Wettbewerb um den Baltic Sea-Farmer-Award ist erstmals ein konventioneller Agrarbetrieb aus Mecklenburg-Vorpommern
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Agrargenossenschaft aus MV gewinnt Umweltpreis

Deutscher Sieger im WWF-Wettbewerb um den Baltic Sea-Farmer-Award ist erstmals ein konventioneller Agrarbetrieb aus Mecklenburg-Vorpommern: Die Agrargenossenschaft Bartelshagen I bei Ribnitz-Damgarten.

(Ostsee-Zeitung vom 07.08.2019)


Rostock

Die Umweltstiftung WWF schlägt immer wieder Alarm. „97 Prozent der Ostsee sind zu stark mit Nährstoffen belastet. Vor allem Stickstoff und Phosphat tragen dazu bei, dass in immer größeren Bereichen Sauerstoffmangel herrscht und so genannte Todeszonen entstehen“, sagt Jochen Lamp vom WWF-Büro in Stralsund. „Wir wissen, dass die Hälfte dieser Nährstoffe aus der Landwirtschaft stammt.“


Auszeichnung für innovative Ideen

Die Umweltstiftung wolle aber „nicht nur mit dem Finger auf die Bauern zeigen, sondern sie verstärkt dafür gewinnen, sich stärker für den Ostseeschutz verantwortlich zu fühlen“, ergänzt Michael Berger, Agrarexperte beim WWF. „Gute Beispiele sollen zeigen, dass auch Bauern Meeresschützer sein können.“ Mit dem international ausgelobten „Baltic Sea Farmer Award“ kürt der WWF deshalb Landwirte, die „mit innovativen Maßnahmen gegen Überdüngung vorgehen“.


Erstmals gewinnt ein konventioneller Betrieb

Als nationaler Sieger wird erstmals ein konventioneller Landwirtschaftsbetrieb aus Mecklenburg-Vorpommern geehrt – die Agrargenossenschaft Bartelshagen I bei Ribnitz-Damgarten (Vorpommern-Rügen). Nur ein einziges Mal ging der Preis bisher nach MV, 2013 an das Gut Brook in Nordwestmecklenburg, einen Ökohof.


Preisgeld von 1000 Euro

WWF-Experte Berger lobt den aktuellen Gewinner, der dafür ein Preisgeld von 1000 Euro erhält: „Die Agrargenossenschaft senkt die eigenen Stickstoffeinträge in die Natur auf vielfältige Weise.“ Die Juroren konnten sich vor Ort ein Bild davon machen: Sie waren besonders beeindruckt davon, dass an allen Bächen, Gräben und Söllen, an denen der Betrieb wirtschaftet, aber auch an Hecken und Waldkanten Schutzstreifen eingerichtet wurden – zum Teil bis zu 20 Meter breit. „Dadurch kann verhindert werden, dass Düngerückstände in angrenzende Gewässer und in die Ostsee gelangen“, hebt Berger hervor. Durch moderne Technologien werde „die punktgenaue Ausbringung von Gülle“ optimiert. Außerdem wirke sich der Anbau von Winterbraugerste, deren Stickstoffbedarf rund 30 Prozent unter Futtergerste liegt, positiv auf die betriebliche Stickstoffbilanz aus. Die Genossenschaft zeige, dass auch in der konventionellen Landwirtschaft eine Menge für den besseren Schutz von Natur und Umwelt getan werden könne.


Agrargenossenschaft vorbildhaft

Die Fließgewässer aus der Region münden in den Saaler Bodden, eine hohe Nährstofffracht würde Bodden und Ostsee belasten. Genossenschaftschef Wilfried Lenschow, der den Agrarbetrieb seit 1991 leitet, weiß das. „Unsere leichten Sandböden haben ein hohes Potenzial zur Nährstoffauswaschung, die Beachtung der Witterung verlangt besonderes Geschick“, betont er. 2800 Hektar Acker und 620 Hektar Grünland bewirtschaftet der Betrieb mit 33 Mitarbeitern und vier Lehrlingen. Dass „die natürlichen Ressourcen sind unser Produktionskapital“ sind, habe er schon bei seinem Vater und später beim Studium an der Rostocker Universität gelernt. Als Kind einer Bauernfamilie wuchs der Mecklenburger bei Gadebusch auf. „Wir Landwirte leben von und arbeiten mit der Natur. Wir haben es in der Hand, mehr zum Umwelt- und Naturschutz beizutragen.“ Damit weniger Gülle anfällt, hält der Betrieb nicht nur seine rund 200 Uckermärker-Fleischrinder auf der Weide, sondern fünf Monate im Jahr auch die Milchkühe und deren Nachwuchs. Der 60-Jährige setzt sich für einen besseren fachlichen Austausch von Landwirten und Naturschützern ein. „Miteinander erreichen wir mehr als gegeneinander.“


Vielen Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt

Beim WWF hat die Agrargenossenschaft nicht nur mit ihrer Düngestrategie, sondern auch „mit breiten Fruchtfolgen und vielen Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt“ gepunktet. Positiv wurde zum Beispiel bewertet, dass der Betrieb die Wiesen erst mäht, wenn Bodenbrüter wie Feldlerchen ihre Jungen schon aufgezogen haben. Beeindruckt waren die Juroren auch von den vielen Söllen und Teichen auf den Flächen der Genossenschaft, außerdem von der reichen Vogelwelt. Allein bei Schwalben werden pro Jahr bis zu 130 Brutpaare gezählt. „Im Kuhstall sind die Schwalben für uns natürliche Fliegenfänger“, freut sich Landwirt Lenschow. In den Ställen nisten Mehl- und Rauchschwalben. Für Uferschwalben hat die Genossenschaft in alte Silowände Einfluglöcher gebohrt, damit die zwitschernde Gesellschaft sie als Brutröhren nutzen kann. Ehrenamtlich betreut Wilfried Lenschow auch Storchenhorste in der Region, zählt Jungvögel und unterstützt die Beringer vom Naturschutzbund.


Zusammenarbeit mit Schulen

Gemeinsam mit Marlower Schulklassen pflanzte die Genossenschaft Kopfweiden zwischen den Feldern. „Die sind typisch für unsere Landschaft. Wir möchten nicht, dass sie verschwinden“, meint der Bauer. Auch blühende Flächen für Insekten sind ihm wichtig. „Wir haben nicht nur auf fünf Hektar Acker Blühmischungen ausgesät, sondern auch angeregt, dass in der Stadt Marlow und ihren Ortsteilen Bienenweiden angelegt wurden.“ An rund 2200 Haushalte wurden kostenlos Samentütchen verteilt. Was ihn besonders freut: Die Initiative der Genossenschaft wurde von den Landwirten in der Nachbarschaft unterstützt.


Von Elke Ehlers

Siehe auch https://www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/ostsee-landwirt-2019/